Meine Tochter versieht Verbote, mit denen Sie nicht gerechnet hat, mit dem „voll fies“ Prädikat. Der für Wohnraummietrecht zuständige VIII Zivilsenat hat sich mit der Entscheidung vom 10.10.2012 (AZ: VIII ZR 107/12), auch wenn Sie noch nicht im Volltext vorliegt, ebenfall dieses Prädikat – zumindest aus Mietersicht – verdient.

Die Mietminderung gemäß § 536 BGB ist immer eine heikle Sache. Gemäß § 536 Abs1 Satz 2 BGB ist die Miete bereits nach dem Gesetz bei Vorliegen eines Mangels, der den Gebrauch der Sache beeinträchtigt, gemindert.

Aber ob und wie hoch die Minderung bei welchem Mangel ausfällt sagt das Gesetz nicht. Das ist sogenanntes „Richterrecht“ – d.h. der Richter beurteilt die Minderung der Miete im Rahmen seines richterlichen Ermessens (§ 286 ZPO hinsichtlich des Vorliegens eine Mangels, § 287 ZPO hinsichtlich der Höhe der Mietminderung) . Dies führt dazu, dass beispielsweise ein feststehender  Schimmelschaden bei dem einen Richter zu einer 50% Minderung führt, bei dem anderen jedoch nur zu einer 20% Minderung der  Bruttomiete.

Um auf der „sicheren Seite“ zu stehen müsste der Mieter also die Miete unter Vorbehalt zahlen und die Mietminderung im Wege der Rückforderungsklage einklagen. Das ist natürlich wesentlich aufwendiger als einen Teil der Miete einfach einzubehalten.

Das Risiko der Höhe der einbehaltenen Miete trägt aber der Mieter (der nach meiner Erfahrung die Minderung eher zu hoch ansetzt). Ist die Minderung zu hoch gegenüber der letztendlich vom Gericht angesetzten Minderung, besteht für den Mieter die Gefahr eine fristlose Kündigung des Vermieter gemäß § 543 Abs 2 Nr 3b  BGB zu erhalten, soweit die über einen Zeitraum von mehr als 2 Monaten rückständige Miete mehr als  2 Monatsmieten beträgt (siehe meine Erläuterungen zu § 543 BGB). Trotz dieses Risikos ist der Mieter aber noch relativ geschützt, ist doch etwa bei einer 10% Minderung der kündigungsrelevante Mietrückstand erst nach 24 Monaten erreicht. Und selbst wenn die Kündigung nach § 543 BGB ausgesprochen wurde, haben die Mieter noch im Räumungsprozess die (wenn auch kostenintensive) Möglichkeit gemäß § 569 BGB den Mietrückstand auszugleichen, um die Kündigung aus der Welt zu schaffen.

Das alles ist obsolet, soweit der Vermieter nunmehr bei einem Mietrückstand von mehr als einer Monatsmiete die ordentliche Kündigung nach  § 573 BGB ausspricht. Der BGH hat in der Entscheidung vom 10.10.2012 klargestellt, dass bei einem Mietrückstand von mehr als einer Monatsmiete auch die ordentliche Kündigung nach § 573 BGB möglich ist. Weiterhin hat der BGH klargestellt, dass die Regelungen des § 569 BGB  nicht  auf die ordentliche Kündigung anwendbar ist.

Reagiert der Vermieter also auf die Mietminderung des Mieters, die in der Summe eine Monatsmiete übersteigt, mit einer ordentlichen Kündigung, besteht ein gegenüber „früheren Zeiten“ erheblich erhöhtes Risiko, dass eine Räumungsklage des Vermieters erfolgreich ist, da eine „Heilung“ nach § 569 BGB nicht möglich ist.

In einem Räumungsprozess wäre daher nur noch die Frage der „Schuldhaftigkeit“ der letzte Rettungsanker für den Mieter, um die Räumung zu vermeiden. Wann ist eine zu hoch angesetzte Minderung „schuldhaft“ d.h. vorsätzlich oder fahrlässig  überhöht. Noch eine Ermessensentscheidung des Richters.

Für den Anwalt bedeutet das Urteil des BGH einen erhöhten Beratungsbedarf und eine Umstellung der anwaltlichen Taktikv(und Belehrungspflicht) bei Mietmängeln. In Kenntnis der Rechtsprechung des BGH und der Unsicherheit bei der Bestimmung von Minderungsquoten dürften nunmehr die Rückforderungsklagen der Mieter wegen Mietmängeln gegenüber den Vermietern zunehmen.

Denn sonst wird die Mietminderung zur „voll fiesen Falle“ – Für den Mieter und den Anwalt, der es unterlässt, die Mandanten auf die Risiken einer Minderung der Miete hinzuweisen.

PS: Für den Vermieter bedeutet die Rechtsprechung des BGH natürlich eine erhebliche Erleichterung, gerade der „notorisch mindernde Mieter“ kann hier leichter „vor die Tür“ gesetzt werden. So hat alles seine zwei Seiten.

Der Bundesgerichtshof mit neuen, „voll fiesen“ Fallen für den Mieter
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4 Kommentare zu „Der Bundesgerichtshof mit neuen, „voll fiesen“ Fallen für den Mieter

  • 19. November 2012 um 7:11 Uhr
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    korrigiert doch die ganzen Fehler im letzten Absatz. Ist sinnverdrehend und nur mit Phantasie richtig lesbar

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    • 19. November 2012 um 9:22 Uhr
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      Sie haben recht, es war wohl etwas spät gestern abend…

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  • 19. November 2012 um 17:15 Uhr
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    Müsste es nicht § 287 ZPO statt § 286 heißen?

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  • 18. September 2013 um 16:27 Uhr
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    So leicht ist es mit der Kündigung nicht, denn der Mieter kann immerhin das 3-5fache der Minderung zurückbehalten. Damit ist er bei 20 % Minderung schon bei 100 %, zahlt gar nicht und wartet gemütlich ab, jedenfalls wenn 20 % Minderung sicher sind.

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