SPON berichtet heute, dass es einen neuen Versuch der Regierung gibt, die „Abmahn-Abzocke“ bei verbotenem Herunterladen von urheberrechtlich geschützten Inhalten massiv einzudämmen.

„Für die erste Abmahnung bei derartigen Verletzungen des Urheberrechts durch Privatpersonen dürften künftig nur noch weniger als 100 Euro verlangt werden. Dies teilte das Justizministerium am Freitag in Berlin mit. Abmahnungen dürften kein eigenständiges Geschäftsmodell werden, ergänzte ein Sprecher des Verbraucherministeriums.“ (Zitat SPON)

Kommt einem irgendwie bekannt vor ?

Richtig, das gab es schon einmal. Im September 2008 wurde § 97a Absatz 2 UrhG eingeführt. Dort ist folgende Regelung enthalten:

(2)Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 Euro.

Hört sich irgendwie genauso an wie die Verlautbarung des -zufälligerweise FDP geführtem –  Bundesjustizministeriums aus dem Jahre 2012. Bei genauem Lesen fällt allerdings auf, dass die Tatbestandsmerkmale „einfach gelagerte Fälle“ und „unerhebliche Rechtsverletzung“ in der aktuellen Erklärung des BMJ nicht enthalten sind.

Ob diese Änderungen tatsächlich gegenüber der Industrie durchsetzbar sind und von der Rechtsprechung auch so umgesetzt werden, wage ich zu bezweifeln. Die Regierungsparteien zweifeln ja bereits selber an dem Gesetz (siehe SPON-Artikel). Und auch juristisch wäre eine solche Regelung zweifelhaft. Denn nunmehr würde der Fielsharer, der einen Titel verbreitet genau so behandelt wie der Filesharer, der tausende Titel verbreitet. Beide müssten mit der ersten Abmahnung mit Anwaltsgebühren von maximal 100,- € rechnen. Erst nach diesem „Warnschuß“ ist der Weg offen für das „normale Filesharungverfahren“.

Aber ob dies die „Filesharer“ von Ihrer Tätigkeit abhält ?

Wer bisher noch nicht abgemahnt wurde, wird nunmehr mit einer gewissen „Sicherheit“ weiter machen, denn er weiß ja das der „Warnschuß“ nur 100,- € kostet. Und 100,- €, das sind gerade mal 8-10 CDs, 3-4 PC/Konsole-Spiele oder 4-5 DVDs, die man ansonsten käuflich erwerben müßte. Die kann man aber auch in einer Nacht runterladen.  Insoweit hat der Gesetzesentwurf eine „Entschreckende“ Wirkung. Sicherlich könnte man von Seiten des BMJ einwenden, dass durch den Entwurf der Schadensersatzanspruch der Rechteinhaber nicht eingeschränkt werde und der „Viel-Sharer“  durch diese möglichen Forderungen abgeschreckt werde. Die Realität hat aber gezeigt, dass Schadensersatzansprüche eher selten zugesprochen werden, da der Rechteinhaber schon Probleme beim Nachweis der Täterschaft hat. Diese Probleme sind im Bereich der Störerhaftung nicht gegeben, hier haftet der Anschlussinhaber auf seine Prüfpflichten.

Die Abmahnindustrie würde sich bestimmt ebenfalls schnell auf diese Rechtslage einstellen, etwa durch  gemeinsame Filesharer Datenbanken. Die meisten Filesharer sind ja nicht punktuell wegen einer bestimmten Datei im Internet, meistens laufen die Filesharingclients – auch dank der immer besseren Verbindungen – nebenher und es wird „getauscht“, was einem gerade interessant vorkommt. Einen Filesharer die Verletzung mehrerer Werke an mehreren Tagen nachzuweisen dürfte daher nicht schwer fallen. Derzeit dürfte die „doppelte“ Abmahnung jedoch nur dann vorkommen, wenn die abmahnende Kanzlei alle Rechteinhaber vertritt, deren Werke verletzt wurden. Das ist eher selten der Fall (kommt aber auch vor). Sobald die einschlägigen Kanzleien aber Ihre Gegner untereinander abgleichen, dürfte der Nachweis der vorherigen Abmahnung recht leicht fallen (ob dies dann datenschutzrechtlich zulässig ist, ist eine andere Frage).

Letztendlich ist auch die Frage wie die Gerichte die Regelung annehmen würden. Schon 2008 dachte man mit § 97 Abs 2 UrhG den großen Wurf zum Schutz vor den bösen Abmahnern gemacht zu haben. Die Gericht haben § 97a Abs 2 UrhG aber sehr zögerlich angewendet, insbesondere bei Filesharing-Fällen wurde eigentlich immer ein „gewerbliches Ausmaß“ angenommen. Der BGH hat zu diesem Problem bisher keine Entscheidung getroffen (siehe „„Sommer unseres Lebens“) auch wenn nächstes Jahr vielleicht eine solche Entscheidung zu § 97a UrhG kommen könnte.

Ich persönlich habe den Eindruck, dass es sich bei dem derzeitigen Vorhaben um einen auf Druck der Regierungsparteien erfolgten „Schnellschuß“ handelt, um dem Wahlvolk vor den anstehenden Landtagswahlen zu zeigen, dass die Regierung den Bedürfnissen des Internets und der Internetgemeinde gewachsen ist. Die Presseankündigung ist also ein Schuss gegen die Piratenpartei. Ob sich daraus auch eine Ende des „Abmahnwahn“ entwickelt darf bezweifelt werden.

„Gesetzesentwurf gegen Abmahn-Abzocke“ – Warum es das BMJ auch im zweiten Anlauf nicht schaffen wird ….
Markiert in:                             

Ein Kommentar zu „„Gesetzesentwurf gegen Abmahn-Abzocke“ – Warum es das BMJ auch im zweiten Anlauf nicht schaffen wird ….

  • 13. August 2012 um 17:49 Uhr
    Permalink

    Ich sähe den Vorstoß nicht so negativ, wenn er denn käme.
    Die Gerichte haben den Sinn des 97a UrhRG durch fehlgeleitete Urteile ausgehölt. Der BGH hat bislang kein Machtwort gesprochen, um der Fehlentwicklung ein Ende zu machen. Wenn die Abmahnindustrie 100,– € dafür beanspruchen kann, Name, Titel und Rechteinhaber in die Textbausteine einzufügen, ist Sie mit dem Betrag mehr als genug bedient.
    Der Abmahnindustrie wird damit leben können, aber die Folgen der Abmahnung wird für die vielen fälschlicherweise Abgemahnten gemildert.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert