Unter Anwälten ist der „fliegende Gerichtsstand“ natürlich bekannt, aber der Otto-Normalverbraucher kann sich wenig darunter vorstellen. Dabei ist der Begriff des „fliegenden Gerichtsstands“  eine scherzhafte Umschreibung des gewillkürten Gerichtsstands. „Fliegend“ wird angehängt, weil die Anwällte meist mit dem Flugzeug anreisen. Diese scherzhafte Umschreibung hat aber einen sehr realen und bei allen Klagen die sich auf Presse oder Internet beziehen   ernstzunehmenden Hintergrund:

§ 32 ZPO – Der Ort der unerlaubten Handlung (im Wettbewerbsrecht: § 14 UWG). Nach § 32 ZPO ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die unerlaubte Handlung begangen wird. Daher werden Autounfälle nicht am Wohnsitz desjeweils verklagten Fahrers verhandelt, sondern am Unfallort. Für derartige Fälle ist § 32 ZPO ursprünglich gedacht. Nun kommen aber Verletzungsfälle im Internet oder in Pressepublikationen oder Fernsehsendungen hinzu. Hier kommt es nach ganz überwiegender Rechtsprechung und Literatur  bei der Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichtes darauf an, wo der „Erfolg“ der Verletzung eintritt, nicht jedoch wo die Handlung begangen wird. Dies hat ergebnisorientierte Gründe, denn dann wäre die Urheberrechtsverletzung, die auf ausländischen Servern liegt (um beim Internetbeispiel zu bleiben), in Deutschland nicht justiziabel, da der „Begehungsort“ der ausländische Server wäre.  Durch den Erfolgsort wird nunmehr jeder Ort, an dem die Verletzung aufrufbar ist, Begehungsort im Sinne des § 32 ZPO. Bei Fernsehsendungen und sonstigen Pressepublikationen und insbesondere bei Internetseiten ist daher jeder Gerichtsbezirk  zuständig, in dem das jeweils verletzende Werk/die verletzende Handlung bestimmungsgemäß abgerufen, empfangen oder erworben werden kann.  Dies führt zum sogenannten „Fliegenden Gerichtsstand“, den wenn ich überall in Deutschland ein örtlich zuständiges Gericht habe, kann sich der Anwalt das Gericht aussuchen.

Dies führt zum sogenannten „Forum Shopping“. Der klagende Anwalt sucht sich das Gericht aus, bei dem er auf Grund bisher ergangener Rechtsprechung die größmöglichen Erfolgschancen für seinen Fall hat. Insbesondere bei einstweiligen Verfügungen spielt dies eine große Rolle, da es hier auf Grund des häufigen fehlens höchstrichterlicher Rechtsprechung   durchaus unterschiedliche Rechtsprechung zwischen den OLGs gibt. Auf Grund des Forumshoppings werden nunmehr bestimmte Gerichte in bestimmten Sachen mit Klagen „überhäuft“. Der Filesharingabmahner geht zum LG Köln, der Presserechtler zum LG Hamburg.

Auch die Vielfachabmahner nutzen den „Fliegenden Gerichtsstand“ und wählen meist von den abgemahnten weit entfernte Gerichte zur gerichtlichen Geltendmachung ihrer angeblichen Ansprüche. Ziel ist es dabei, die Verteidigungsbereitschaft des Abgemahnten zu senken, denn Reisekosten für Partei und Anwalt können bei weiteren Strecken auch im höheren dreistelligen Bereich liegen und erhöhen somit das Kostenrisiko. Allerdings sehen einzelne Gerichte dies auch als Anzeichen für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung an(so etwa OLG Brandenburg, Urteil vom 17.9.2009 AZ: 6 W 128/09 – andere Ansicht OLG Rostock, Beschluss vom 20.7.2009 AZ: 2 W 41/09 ).

So kann es kommen, dass eine Familie aus dem tiefsten Bayern vor einem Kölner Gericht auf Ersatz der Anwaltskosten verklagt wird.

MKB klärt auf: „Der fliegende Gerichtsstand“
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Ein Kommentar zu „MKB klärt auf: „Der fliegende Gerichtsstand“

  • 5. Februar 2010 um 17:26 Uhr
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    § 32 Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung

    „Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.“

    Da stellt sich mir die Frage, ob der „fliegende“ Gerichtsstand bei angeblichen Urheberrechtsverletzungen durch sogenanntes Filesharing wirklich anwendbar ist.

    Das Feststellen/Loggen der angeblichen Urheberrechtsverletzung findet ja durch ein privates Unternehmen an einem bestimmten Ort statt. Dies ist eine Taqtsache. Damit ist der Wortlaut des o.g. Paragraphen zweifelsfrei erfüllt: „begangen ist“.

    Im Gesetzestext steht nicht „begangen werden kann“.

    Den Beweis, daß die festgestellte/geloggte angebliche Urheberrechtsverletzung durch Upload auch an einem anderen Ort (als dem wo der Log durchgeführt wurde) abrufbar war wird regelmäßig nicht zu erbringen sein, da ja nur dieser eine Log vorhanden ist.
    Alles andere ist lediglich eine Vermutung, die sich aus dem Umstand des Internets ergibt.

    Es ist mir daher unverständlich, wie ein Gericht die Zuständigkeit an sich reißen kann, indem es behauptet die Urheberrechtsverletzung bzw. der Upload war auch an seinem (Gerichts)Standort abrufbar. Dies ist lediglich eine Vermutung. Das Gericht müsste meines Erachtens konkret beweisen (nachweisen), daß dies auch tatsächlich so war, z.B. durch jemanden, der dies bestätigt.

    Oder kann sich jeder die Gesetze so auslegen wie er will. Wahrscheinlich nicht, ein Richter schon, oder?

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