Die Süddeutsche Zeitung, SPON, und Stern.de berichten heute, dass sich die Koalition auf einen Gesetzesentwurf geeinigt hat, das insbesondere auch das „Abmahnunwesen im Internet“ bekämpfen soll. Danach soll nach SPON folgendes für eine erste urheberrechtliche Abmahnung gelten:
„Dem Gesetzentwurf zufolge dürfen Anwälte künftig privaten Internetnutzern, die zum ersten Mal eine Urheberrechtsverletzung begehen, für die Abmahnung maximal 155,30 Euro in Rechnung stellen. Wer in gewerblichem Ausmaße Urheberrechte verletze, müsse dagegen weiter die volle Gebühr zahlen“ (Zitat aus dem SPON Artikel) .
Irgendwie kommt mir das bekannt vor……
Ein Blick in das bereits gültige Recht, dort § 97a Absatz 2 UrhG bringt die Erleuchtung:
„Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 Euro.“
Da fragt man sich doch, was der Unterschied zwischen der Neuregelung und dem bestehenden § 97a UrhG ist ?
Die erstmalige Abmahnung im Entwurf entspricht der ersten Abmahnung eines Verbrauchers im bestehenden § 97a UrhG. Im neuen Entwurf ist die Deckelung auf Vorgänge beschränkt, die nicht im gewerblichen Ausmaß erfolgten, während nach der geltenden Gesetzeslage die Deckelung nur außerhalb des geschäftlichen Verkehrs erfolgt. Ein Unterschied ? Dies muss die Rechtsprechung im Rahmen der Gesetzesauslegung herausfinden. Allerdings wurde § 97a Abs 2 Urhg von den Gerichten bisher äußerst zurückhaltend angewandt, bei Juris finden sich gerade mal 30 Entscheidungen zu dieser Norm.
Die einfach gelagerten Fälle sind im neuen Entwurf unter den Tisch gefallen. Aber birgt dies nun den entscheidenden Schlag gegen die Massenabmahner ? Bisher haben die Gerichte die „einfach gelagerten Fälle“ in Filesharingverfahren gerne als Argumentation gegen die Anwendung des § 97a Abs 2 Urhg genutzt (so etwa AG Hamburg, Urteil vom 27.6.2011, AZ: 36a C 172/10). Dies würde nun als Argumentation für die Abmahner wegfallen.
Zusammenfassend müssten die Abmahnanwälte nach zukünftigem Recht entweder das Merkmal der „Gewerblichkeit“ der Filesharing-Nutzer nachweisen oder Nachweisen, das der Verbraucher bereits vorher schon einmal wegen einer Urheberrechtsverletzung „auffällig“ geworden ist um eine höhere Gebühr als 155,30 € verlangen zu können.
Ob ein solches Gesetz auch zum Rückgang der Abmahnungen führen könnte ist offen.
Zu bedenken ist, dass viele „Abmahnkanzleien“ Ihr Geschäft schon rationalisiert haben, dies ist an den Strichcodes auf den Abmahnungen deutlich sichtbar. Darüber hinaus wird zumindest im Filesharingbereich sicher wieder mehr der Schadensersatzansprcuh im Wege der Lizenzanalogie in den Focus rücken, denn dieser wird durch den Gesetzesvorschlag nicht berührt.
Der Schadensersatzanspruch für Lizenz- oder Verkaufsgebühren kann zwar nicht mit einer Störerhaftung begründet werden, allerdings reicht schon die Drohung damit (wie es auch derzeit geschieht), um bei den Empfängern der Abmahnung eine solche Verunsicherung hervorzurufen, das lieber gezahlt wird. Die Angst vor unüberblickbar hohen Forderungen ist das Geschäftsmodell, und das wird durch den neuen Gesetzesentwurf nur gering beeinträchtigt.
Was hier als „neue“ gesetzgeberische Tätigkeit verkauft wird ist tatsächlich nur eine Reparatur einer mangelhaften Norm. Auch bleibt abzuwarten wie sich der Regierungsentwurf im Gesetzgebungsverfahren entwickelt. Die Rechteinhaber und Ihre Lobbyisten haben auch ein Interesse daran diese Einnahmen aus Filesharingabmahnungen zu erhalten.
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