Die Blogs sind ein Instrument der Meinungsäußerung und Meinungsbildung. Derzeit ist ein Blog-Beitrag des geschätzten Kollegen Markus Kompa Grund für ein gerichtliches Verfahren wie auch einer sich daraus ergebenden, lebhaften Diskussion.

Inhaltlich geht es um die presserechtliche Beurteilung der Einbettung eines Videos eines ZDF Beitrages, der presserechtlich angegriffen wurde und während des dazu laufenden Gerichtsverfahrens von dem nun beklagten Kollegen Kompa in einem Blog Beitrag einbezogen wurde.

Inhalt des Hauptsacheverfahrens war dabei – juristisch –  die Unterlassung der Verbreitung, tatsächlich geht es aber darum, inwieweit ein Blogger für die Verbreitung kontroverser fremder Inhalte haftet, wenn der Blogger diese als Video in seinen Blog einbettet und über die eventuelle Rechtsverletzung Kenntnis hat.

Das Urteil der 24 Zivilkammer des LG Hamburg wird dabei – aus meiner Sicht – etwas oberflächlich diskutiert, eine Gesamtbetrachtung und Bewertung wird leider eher vermieden. Ich möchte daher hier einmal versuchen die wesentlichen Punkte des Urteils und die mögliche Kritik daran einmal kurz zusammenzufassen:

Sachverhalt:

Ein umstrittener Krebsarzt wird Thema einer Reportage der ZDF-Sendung WISO, welche am 6.12.2010 ausgestrahlt wird. Dabei werden wohl auch versteckte Aufnahmen des Empfangsbereichs der Praxis des Arztes in München gefertigt. Der betroffene Arzt geht gegen das ZDF im Wege einer einstweiligen Verfügung vor, die dieser auch am 18.1.2011 erhält. Natürlich vor der Pressekammer des LG Hamburg, der Zivilkammer 24. Am 23.3.2011 mahnt der Anwalt des betroffenen Arztes auch den Kollegen Kompa wegen seines Blogbeitrages unter Einbindung des Videos des WISO Beitrages als „embedded Link“, der von einem Dritten auf youtube hochgeladen wurde,  ab. Der Kollege Kompa gibt am 25.311 eine Unterlassungserklärung unter der Bedingung der Rechtskraft der einstweiligen Verfügung gegen das ZDF ab. Die Unterlassungserklärung wird angenommen, aber gleichzeitig wird eine weitere Unterlassungserklärung angefordert, die ebenfalls unter der Einschränkung der Rechtskraft abgegeben wird. Gleichzeitig warnt der Kollege Kompa in leicht ironischem Ton vor der Suche nach dem Bericht auf youtube. Dies nimmt der Prozessbevollmächtigte des Krebsarzt offensichtlich zum Anlass, eine einstweilige Verfügung gegen den Kollegen zu beantragen, die auch am 7.4.2011 antragsgemäß erlassen wird. Der damals zuständige Vorsitzende Richter  ist jetzt ironischerweise Vorsitzender der zuständigen Berufungskammer des Hanseatischen OLG. Anscheinend hat der Kollege Kompa sodann Antrag auf Durchführung eines Hauptverfahrens gestellt (§ 926 ZPO), so dass es nun zu einem Hauptverfahren gekommen ist. Nach der mündlichen Verhandlung am 9.3.2012 ergeht am 18.5.2012 das Urteil der ZK 24 des LG Hamburg. In welchem Stadium sich das Verfahren des Arztes gegen das ZDF befindet ist nicht bekannt.

Urteil des LG Hamburg

Das LG Hamburg prüft ordnungsgemäß die Reihenfolge des Anspruches des Klägers ab, indem erst die Rechtsverletzung des WISO Beitrages und dann die Einordnung des Beitrages im Rahmen der Störerhaftung bejaht wird. Der beweisbelastete Beklagte wird dabei – aus Sicht des Anwaltes –  ordentlich „abgewatscht“, indem ihm sowohl unsubstantiierter Vortrag, Ausforschungsbeweise sowie unspezifische Beweisangebote vorgeworfen werden.

Das LG Hamburg begründet die Rechtswidrigkeit des Beitrages des Beklagten Kollegen Kompa einerseits mit dem Video selber, in dem es um die Abgabe von sogenannten „Eigenblutpräparaten“ in München geht (siehe unter Entscheidungsgründe  1 a, Seite 8 ff) , als auch mit   einem Zusammenwirken des Blogbeitrages mit dem eingebetteten Video als „unwahre Tatsachanbehauptung“ (siehe unter Entscheidungsgründe 1 b Seite 9), da der Eindruck erweckt werden würde, dass ein Gutachten der Charite nicht existieren würde. Darüber hinaus würden die Aufnahme aus der Praxis auch das allgemeine Persönnlichkeitsrecht verletzen. Interessanterweise bezieht sich die Kammer dabei auf das einstweilige Verfügungsverfahren gegen das ZDF, obwohl sie dem Beklagte 2 Seiten vorher angekreidet hatten, dass er sich auf dieses  Verfahren bezogen  und somit unsubstantiierten Vortrag vorgebracht hätte…

Im spannenderen Teil des Urteils beschäftigt sich die Kammer mit dem Setzen eines Hyperlinks unter äußerungsrechtlichen Gesichtspunkten. Dabei wird eine Unterscheidung zwischen dem bloßen Hyperlink und dem „embedded Content“  jedoch nicht vorgenommen, alles ist ein „Hyperlink“.

Die Kammer  kommt im Rahmen der Begründung der Störerhaftung dann zu den Prüfungspflichten des Linksetzenden, die Sie dahingehend konkretisiert, dass der Kollege Kompa auf Grund der Kenntnis des äußerungsrechtlichen Verfahrens vor dem LG Hamburg zumindest verpflichtet gewesen wäre, den Wahrheitsgehalt des Beitrages zu überprüfen und zu diesem Zweck hätte der Kollege

„bei dem Betroffenen nachfragen  müssen“ .

Da er dies nicht getan hätte, wären die zumutbaren Prüfungspflichten verletzt. Auch fehle es an einer hinreichenden Distanzierung zu dem Beitrag des Dritten, so dass der Unterlassungsantrag gerechtfertigt sei.

Die Wiederholungsgefahr sei nach Ansicht des LG Hamburg gegeben, da die Unterlassungserklärungen des Kollegen Kompa die Wiederholungsgefahr nicht beseitigen würde.Die Abgabe der Erklärung unter einer auflösenden Bedingung sei unzulässig und würde die Wiederholungsgefahr nicht entfallen lassen.

Bewertung der Entscheidung :

Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg überzeugt nicht, allerdings ist auch die Darstellung der Kollegen Stadler und Kompa nicht so richtig überzeugend.

Hinsichtlich der Argumente der Kollegen Stadler und Kompa ist von vorneherein daran zu erinnern, dass die Bewertung der Verantwortung für „embedded Content“ aus rechtlicher Sicht noch nicht geklärt ist, hier ist noch viel Spielraum gegeben, gerade weil es wenig Rechtsprechung dazu gibt. Hier einfach mit der Gleichsetzung zwischen Hyperlinks und „embedded Content“ im Sinne der BGH-Paperboy-Entscheidung zu argumentieren erscheint mir als zu einfach. Insbesondere da etwa das OLG Düsseldorf eine solche Gleichsetzung bereits abgelehnt hat.  (siehe OLG Düsseldorf, Urteil vom 8.11.2011 AZ: 20 U 42/11 – welches eine Differenzierung zwischen Hyperlinks und „embedded Content“ im Rahmen eines urheberrechtlichen Anspruchs vornimmt). Als Medien- und Internetrechtler hätte dem Kollege Kompa wohl schon bekannt sein sollen, dass ein solches Einfügen von „embedded Content“ durchaus risikobehaftet ist. Zumal der Link nicht etwa auf das Streamingportal des ZDF verwies, sondern auf den Upload eines unbekannten Dritten bei Youtube, dessen Rechteinhaberschaft vollkommen unklar war.

Hinsichtich des Urteils des LG Hamburg ist auf folgendes hinzuweisen:

Die Feststellung der äußerungsrechtlichen Verletzung duch die Kammer wirft viele Fragen auf. Nun kenne ich die Schriftsätze nicht, so dass sich eine genaue Auseinandersetzung mit den Feststellungen der Kammer zum fehlenden Vortrag und zum Ausforschungsbeweis eigentlich verbietet. Allerdings erscheint es äußerst seltsam, dass einserseits dem Beklagten vorgeworfen wird, dass dieser sich nicht unspezifisch auf ein anderes Verfahren als Beweis beziehen dürfe, nur um einige Absätze später lang und breit aus genau diesem Verfahren zu zitieren.

Über den eigentlich spannenden Punkt, warum hier „embedded Content“ anders als ein normaler Hyperlink zu behandeln ist hüpft die Kammer forsch hinweg, hier wird lediglich ausgeführt, dass der „embedded Content“ nicht vom Kläger veröffentlich worden sei (weshalb die zitierte Paperboy Entscheidung nicht einschlägig sei).

Vielmehr habe der Beklagte durch den redaktionellen Beitrag mit dem Wort „obiger Beitrag“  weitere Anreize geschaffen den Link anzuklicken. Hier wird es in der Argumentation wenig nachvollziehbar, das Gericht will also sagen, dass sich der Beklagte den Beitrag“ zu Eigen“ gemacht hat, traut sich aber nicht  so recht dies auszudrücken und kommt statt dessen mit der Störerhaftung.

Als Hauptargument für die dann zugebilligte  Störerhaftung führt das Gericht an, dass der Beklagte als Medienrechtsanwalt und auf Grund der Rechtsstreitigkeit zwischen dem Kläger und dem ZDF hätte vorsichtiger sein müssen. Die Ausformulierung der Prüfungspflicht ist allerdings völlig lebensfern, verlangt das Gericht doch tatsächlich, dass der Kollege Kompa bei dem Kläger, also hier dem betroffenen Arzt, hätte nachfragen sollen, ob der Beitrag „wahr wäre“. Die Antwort kann sich jeder denken.

Zusammenfassend stellt sich in dem Verfahren die Frage, ob ein Blogger  einen Pressebericht eines Dritten als „embedded Content“ im Internet verbreiten darf, wenn er weiss, dass sich die im Pressebericht genannte Person gegen den Pressebericht juristisch zur Wehr setzt.  Die Ansicht der Zivilkammer 24 lautet hier eindeutig NEIN, obwohl dies unter dem Gesichtspunkt der Pressefreiheit äußerst kritisch ist. Denn als Konsequenz würde dadurch jede Berichterstattung über den Grund eines laufendes Verfahren ebenfalls unzulässig. Die Pressefreiheit könnte dann mit juristischen Mitteln ausgehölt werden. Das „Prüfungsmittel“ des LG Hamburg für den Wahrheitsgehalt ist dabei aber konsequent, der Blogger soll bei dem Betroffenen des Presseberichts nachfragen, ob der Pressebericht wahr ist. Zu dieser Prüfungspflicht fällt mir nur ein norddeutscher Politiker ein:

„Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort“

Nach den Prüfungspflichten des LG Hamburg hätte es eine Barschel-Affäre nie gegeben.

Insgesamt überzeugt daher das Urteil des LG Hamburgs nicht, allerdings ist auch bei einer Entscheidung des BGH nicht gesagt, dass die Klage dann abgewiesen wird. Es bleibt also spannend. Interessant wäre auch eine Bewertung des BGHs hinsichtlich der abgegebenen Unterlassungserklärungen, die meiner Meinung nach so in sich verständlich und auch zulässig sind.

Auf Grund der speziellen Umstände des Falles (Kenntnis des Rechtsstreits zwischen Kläger und ZDF, Beklagter ist Medienrechtsanwalt) sehe ich hier die Pressefreiheit der Blogger grundsätzlich noch nicht in Gefahr, da diese Konstellation bei dem 08/15 Blogger eher selten vorliegt.  Allerdings steht zu befürchten, dass die Beliebtheit des Gerichtsstands Hamburg weiter steigt.

 

 

Blogger Freiheit in Gefahr ?

3 Kommentare zu „Blogger Freiheit in Gefahr ?

  • Pingback:Kompa kämpft – Gisela sagt, das geht gar nicht! › Infodocc

  • 31. Mai 2012 um 17:19 Uhr
    Permalink

    Doch es geht um die Pressefreiheit. Das gleiche Gericht hat mir die Berichterstattung über einen Betrugsversuch verboten und obwohl gegen diverse Entscheidungen des Gerichtes Einspruch erhoben wurde, und der Gegner mittlerweile wegen Betruges verurteilt wurde, hat das Gericht über die Kostenfestsetzung es erreicht das der Blog duckhome.de gepfändet wird und nach 10 Jahren Arbeit von der Bildfläche verschwindet.

    Das Gericht begründet nicht einmal mehr wegen welcher angeblichere Aussage man verurteitl wird sondern erlässt pauschal eine Unterlassungsverfügung nach der anderen.

    Wenn dieses Gericht weitermachen kann, gibt es bald niemanden mehr der in Deutschland unter seinem Namen schreiben kann. Die Pressefreiheit gibt es dann nur noch für Reiche.

    Wenn sie diese Gefahr nicht berücksichtigen dann nehmen sie die Dinge einfach zu leicht.

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    • 31. Mai 2012 um 17:33 Uhr
      Permalink

      Ich kenne Ihren persönlichen Fall nicht, auch wenn es nach Ihren Schilderungen so aussieht, dass Sie gegen die Unterlassungsverfügungen keinen Einspruch eingelegt haben, denn im Rahmen einer Urteilsverfügung muss der Anspruch durch das Gericht begründet werden, lediglich der Beschluss der einstweiligen Verfügung muss jedoch nicht begründet werden. Das ist bei allen Gerichten so, nicht nur in Hamburg.
      Und eines darf man auch beim Äußerungsrecht nicht vergessen: Es gibt immer einen Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Berichtenden und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Wenn Sie über jemanden ehrenrührige Tatssachen (wie etwa die Behauptung einer Straftat) verbreiten, müssen Sie auch in der Lage sein diese zu beweisen, was sich so bereits aus dem Unschuldsprinzip ergibt. Dies gilt ebenfalls vor allen Gerichten, nicht nur in Hamburg.
      Im übrigen ist der von Ihnen geschilderte Fall nicht mit dem obigen Fall vergleichbar, da dort der Kollege Kompa nur den Bericht eines Dritten eingebunden hat (die Haftung für die Einbindung ist hier das grosse Therma) nicht jedoch selber den Videobericht erstellt hat.

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